Ideen für die Entwicklung inklusiver Freizeitaktivitäten

Autor

Chloé Jaccard

Veröffentlicht am

Im Herbst haben sieben Personen an zwei gänzlich ungewöhnlichen Workshops teilgenommen. Das Ziel? Menschen mit Behinderung an einen Tisch zu bringen und gemeinsam Freizeitaktivitäten zu gestalten.

Die Workshops fanden in Bern und in Lausanne statt. Auf den Tischen finden sich Piktogramme, Fotos, Diskussionsrahmen, Croissants und Kaffee. «Wir könnten eine App für Dreiräder lancieren», schlägt Karin Rösch, eine der Teilnehmerinnen vor.

Wir könnten eine App für Dreiräder lancieren

«Ich würde gerne Ausflüge mit dem Motorrad organisieren», fügt Bruno Frankhauser, ihr Partner, hinzu. «Es wäre toll, einen Newsletter zu schreiben, in dem alle Aktivitäten und öffentlichen Veranstaltungen zusammengefasst werden», so Nadine Tresch, seine Tischnachbarin. An Ideen mangelt es nicht, ebensowenig an der Motivation, diese mitzuteilen.

Machbarkeit der Projekte festlegen

Die Teilnehmenden denken zunächst über ihre üblichen Freizeitbeschäftigungen nach. Alle vermerken ihre Aktivitäten auf einer mit Piktogrammen versehenen Gewichtungsskala und versehen diese mit verschiedenen Farben von grün bis rot je nach Machbarkeit des Projekts. Dabei stellen sie fest, dass sie in ihrer Freizeit immer dieselben Personen sehen, dass vieles zu teuer ist und es an Auswahlmöglichkeiten fehlt.

Sie berichten vor allem über ihr Bedürfnis nach einem barrierefreien Zugang zu öffentlichen Freizeitaktivitäten und ihr Interesse daran, neue Menschen kennenzulernen. Auch der Transport scheint ein Problem zu sein. So kann es vorkommen, dass eine Reise zu lange dauert, die Tickets zu teuer sind und die öffentlichen Verkehrsmittel zu wenig auf die Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Mobilität ausgerichtet sind.

Inklusive Angebote entwickeln ist das Ziel des Projektes «Und süsch so?». © insieme Schweiz

Mit Blick auf die Kosten von Freizeitaktivitäten erwähnen zwei Teilnehmende beispielsweise, dass es ihnen viel Spass macht, auszugehen. Sie laden auch gerne Freunde oder ihre Familie ein, um nicht alleine ins Café gehen zu müssen. Aber sie können es sich leider nicht mehr leisten, weil die Preise in letzter Zeit stark gestiegen sind.

Alle Anwesenden erläutern zunächst ihre Schwierigkeiten und teilen ihre Wünsche mit. Anschliessend erfolgt ein Brainstorming, in dem Lösungen angedacht und die idealen Freizeitaktivitäten skizziert werden.

 

Projekt «Und süsch so?»

Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung sollen die Wahl haben, wie und mit wem sie ihre Freizeit verbringen – so, wie alle anderen Menschen auch. Um die UNO Behindertenrechtskonvention im Freizeitbereich umzusetzen, hat insieme Schweiz das Projekt «Und süsch so?» lanciert.

Kreative Lösungen finden

Die Teilnehmenden verwenden nun einen Rahmen, um ihre Ideen zu strukturieren. Alle sind kreativ und denken nicht nur über verschiedene Aktivitäten nach, sondern schlagen auch eine angemessene Kommunikation, Massnahmen für eine inklusive Freizeitgestaltung und die Art der gewünschten Begleitung vor. Alle tragen auch zu Lösungen für den Transport bei.

In der Mittagspause äussert einer der Teilnehmer, Raphael Haddad, sein Unverständnis über seine Rolle beim Workshop. Er versteht nicht wofür «man ihn bei der Ideenfindung braucht, wenn er woanders nützlicher wäre». Der Prozess erscheint ihm zu abstrakt und er möchte lieber Ideen für konkrete Aktivitäten teilen. Als der Workshop am Nachmittag fortgesetzt wird, schlägt er daher Gartenarbeit als Tätigkeit vor. Er bräuchte ein Gewächshaus und Begleitpersonen, die er bereits kennt und die ihm erklären, wie man sich um Pflanzen kümmert.

Die Teilnehmenden sind stolz darauf, dass sie sich selbst einbringen konnten. © insieme Schweiz

Arnaud, sein Tischnachbar aus Yverdon, erzählt, dass es bei ihm in der Nähe die sogenannten «Jardins du Coeur» gibt; dort habe man die Gelegenheit, zusammen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers im Garten zu arbeiten. Diese würden ebenfalls anderen Personen helfen. Allen Teilnehmenden gefällt die Idee, einer Freizeitaktivität nachgehen zu können, die auch nützlich ist. So entsteht in der Gruppe eine weitere Idee: «Man könnte sich ehrenamtlich engagieren, um selbst anderen zu helfen.»

 

 

Am Ende des Tages erfolgt eine Abstimmung über die bevorzugten Ideen. Die Wahl fällt nicht leicht. Alle Ideen erhalten ungefähr dieselbe Anzahl Stimmen. Die Teilnehmenden sind stolz darauf, dass sie sich selbst einbringen konnten und die Animateurin des Tages wird in Kürze an alle ein Dankesschreiben mit einer hausgemachten Schokolade verschicken. Die Gruppe kommt im nächsten Jahr wieder zusammen, um die Fortschritte bei den vorgeschlagenen Projekten zu begutachten und sicherzustellen, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist.