«Macht es Angst?»

Autor

Lise Tran

Veröffentlicht am

Leuchtende, schillernde Farben und flinke Bewegungen, rhythmisch untermalt von den Klängen der Eighties. Das war das Programm des Stücks, das in der Comédie de Genève zu sehen war. Eine besondere Aufführung, da sie auf sogenannt «entspannte» Art und Weise angeboten wurde.

«Aua! Oha!», rief ein Zuschauer laut aus und beobachtete gebannt die Bewegungen eines Tänzers, der so tat, als würde er auf den Boden fallen. Die laute Musik konnte die Stimme des Zuschauers nicht übertönen. Die heutige Aufführung im Rahmen des Festivals Antigel in der Comédie de Genève ist ausverkauft.

Die Aufführung wird als «relaxed» bezeichnet und ist etwas lockerer und wohlwollender gestaltet.

Die Besonderheit dieser Aufführung: Sie ist «offen für aussergewöhnliche Personen». So beginnt Florence Terki, Kulturund Inklusionsbeauftragte des Theaters, ihre Einführungsrede, bevor die Künstler*innen die Bühne betreten. Die Aufführung wird als «relaxed» bezeichnet und ist etwas lockerer und wohlwollender gestaltet.

 

Die Besonderheit dieser Aufführung: Sie ist «offen für aussergewöhnliche Personen». © insieme Schweiz / Patrick Gilléron-Lopreno

 

Das heisst, dass man laut sprechen kann, wenn man das Bedürfnis dazu hat. Manchmal werden technische Anpassungen vorgenommen, wie Licht während der gesamten Vorstellung oder gedämpfte Lautstärke. Um Personen zu helfen, die den Saal verlassen möchten, gibt es Platzanweiser*innen.

«Macht es Angst?»

Die Relaxed Events oder Relaxed Performances sind auf ein breites Publikum – mit und ohne Behinderung – zugeschnitten, ihr Leitgedanke ist die Inklusion. Heute sind rund 30 Menschen mit Behinderungen anwesend.

Frédéric Kässler besuchte vor der Einführung solcher Relaxed Performances nur selten. «Am 4.November 2022 ging ich in eine Vorstellung, die überhaupt nicht entspannt war. Ich hatte Angst», erklärt er, bevor er den Grossen Saal der Comédie betritt.

Ängste überwinden

Der Einlass erfolgt entspannt über die Notausgänge, um Stress zu vermeiden. «Die Plätze sind nicht nummeriert, vor den Haupteingängen gibt es sonst ein Gedränge», erklärt Florence Terki.

Die Kulturbeauftragte wird heute von Pauline Décaillet begleitet, der Koordinatorin von Relax sorties culturelles à Genève. Letztere werden vom Verein Out of the Box koordiniert. Sie steht dem Publikum bei Fragen wie «Mein Vater ist alt, kann ich ihn begleiten?» oder «Macht es Angst?» zur Verfügung.

Um Ängste zu überwinden, bietet die Comédie im Vorfeld eine Ortsbesichtigung an. Für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es auch Vermittlungsangebote, welche die Thematik des Stücks näher erläutern.

Der Rhythmus und die Refrains der Stücke des 80er-Jahre-Duos heizen den Saal und das Publikum auf und erreichen mit «Shout», einem ihrer Hauptstücke, einen Höhepunkt.

Starke Eindrücke

«Die Musik war fast zu laut. Aber ich erinnere mich vor allem an dieses Lied», resümiert Filipe Ambriel Machado. Hen (Filipe beansprucht für sich das non-binäre Pronomen) besucht auch gewöhnliche, nicht-relaxte Anlässe, bei denen, wie hen  bedauert, «das Publikum zu schweigen hat».

Inklusion als Leitmotiv

«Relax-Events sind super! Das sollte normal sein!», schwärmt Charlotte Maas, die zum dritten Mal eine solche Vorstellung besucht. Sie ist heute in Begleitung ihres sensorisch hochsensiblen Bruders Anthony gekommen und schätzt die inklusive Dimension.

Neue angepasste Stücke

Seit 2021, als die Comédie in ein neues, barrierefreies Gebäude umzog, werden angepasste Stücke angeboten. Die Spielzeit 2023/2024 der Comédie, die das Label «Culture inclusive» trägt, verspricht eine Fülle von Relaxed Performances.