«Der SBB-Zug wird mit einer Verspätung von etwa 20 Jahren ankommen»

Autor

Tobias Soder

Veröffentlicht am

Eine Kundgebung vor dem Hauptsitz der SBB fordert die sofortige Umsetzung eines hindernisfreien öffentlichen Verkehrs in der Schweiz. Tobias Soder berichtet als Betroffener von der Protestaktion.

Über 20 Jahre ist es her, seit das Behindertengleichstellungsgesetz (kurz BehiG) im Dezember 2002 beschlossen wurde. Am 1. Januar 2004 trat es in Kraft.

Das Gesetz soll sicherstellen, dass Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen beseitigt werden.

In Artikel 22, Absatz 1 steht:

«Bestehende Bauten und Anlagen sowie Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr müssen spätestens 20 Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes behindertengerecht sein.»

Dies bedeutet, dass seit Januar 2024 der öffentliche Verkehr behindertengerecht sein müsste. Dies ist aber scheinbar noch lange nicht der Fall.

Dies bedeutet, dass seit Januar 2024 der öffentliche Verkehr behindertengerecht sein müsste. Dies ist aber scheinbar noch lange nicht der Fall.

Als Übergangslösung wird ein Service angeboten, der Menschen mit Behinderung mit einem Taxi oder Bus zur nächsten barrierefreien Haltestelle oder zum nächsten barrierefreien Bahnhof bringt. Dafür müssen die Reisenden sich aber mindestens 2 Stunden vor der Fahrt anmelden.

So ist das selbstständige Reisen für Menschen mit Behinderung immer noch nicht spontan und unabhängig möglich.

 

Tobias Soder

Als selbst Betroffener frustriert es mich zu wissen, dass die ÖV-Betriebe 20 Jahre Zeit hatten, und jetzt zu erfahren, dass noch so viel fehlt, bis das Gesetz erfüllt wird.

Tobias Soder, Mitarbeiter insieme Schweiz

 

Als selbst Betroffener frustriert es mich zu wissen, dass die ÖV-Betriebe 20 Jahre Zeit hatten, und jetzt zu erfahren, dass noch so viel fehlt, bis das Gesetz erfüllt wird. Deshalb habe ich mich heute mit Chloé, Claire und Tabea von insieme Schweiz auf den Weg zum SBB-Hauptsitz gemacht, wo wir uns mit anderen Betroffenen und Sympathisant*innen getroffen haben, um auf uns aufmerksam zu machen und eine Petition zu lancieren.

 

 

Bevor wir uns auf den Weg machten, haben wir noch mit viel Liebe und mehr oder weniger viel Talent Karton-Schilder gebastelt mit den Slogans «Still waiting…» («Immer noch am warten…»), «Le train CFF arrivera avec un retard d’environ 20 ans » («Der SBB-Zug wird mit einer Verspätung von etwa 20 Jahren ankommen»), «Wir hatten einen Deal», «Do your Job!» (macht eure Arbeit!) und «Accessiblity loading…» (Zugänglichkeit, lädt…).

 

Unsere Forderungen an die SBB

  • Eine sofortige und flächendeckende Umsetzung eines hindernisfreien, autonom und spontan nutzbaren öffentlichen Verkehrs in der Schweiz
  • Eine öffentliche Präsentation der Planung, wie und bis wann dieses Ziel erreicht werden soll
  • Ein Bekenntnis dazu, dass separative Shuttlesysteme kein gleichwertiger Ersatz eines hindernisfreien öV sind
  • Eine gesetzliche Verpflichtung zu diesem Plan, sowie eine Regelung bezüglich Schadensersatzes, falls dies erneut nicht erreicht würde
  • Eine Entschuldigung der Transportunternehmen und der Politik für die verpasste Frist sowie eine Entschädigung der von den Missständen Betroffenen

 

Die Stimmung bei der SBB war sehr ausgelassen. Mein Hund, der bei der Aktion auch dabei war, hat sich mit lauter Bellstimme als exzellenter Demonstrant geoutet, wohl nicht zur Freude aller Anwesenden… 😉 Die Gruppe der Protestierenden hätte etwas grösser sein können, aber die Aufmerksamkeit für unsere Anliegen hatten wir auf jeden Fall.

 

Nun ist eure Hilfe gefragt!

Falls ihr auch der Meinung seid, dass das Versäumnis der ÖV-Betreiber bei der Erfüllung dieses beschlossenen Gesetzes nicht einfach ignoriert werden sollte, unterzeichnet hier die Petition und leitet sie weiter.