Gastronomie : Ist die praktische Ausbildung wegen der Pandemie gefährdet?

Autor

Lise Tran

Veröffentlicht am

Die Gastronomiebranche hat während der Pandemie einen hohen Preis bezahlt. Zwei Integrationsbetriebe ziehen Bilanz.

Das Restaurant Basane  im Kanton Genf wird von den Etablissements publics pour l’intégration (EPI) geführt, einer Institution für Personen mit Beeinträchtigungen oder Schwierigkeiten bei der beruflichen Eingliederung. Es ist eines von fünf Restaurationsangeboten der Institution: «In der ersten Welle mussten alle Lernenden während drei Monaten zuhause bleiben», erklärt Fabrice Ninet, Dienstchef Ausbildung und Integration Restauration der EPI.

In der ersten Welle mussten alle Lernenden während drei Monaten zuhause bleiben

Abildung gefährdet?

Während dieser Zeit wurde die praktische Ausbildung ausgesetzt. Es wurde ein wöchentlicher Telefonkontakt mit den Lehrpersonen organisiert. Wirkte sich die dreimonatige Pause auf die Ausbildungsdauer aus? Nein, die Invalidenversicherung (IV) hat die Zwangsschliessung berücksichtigt, heisst es bei den EPI. Die Stiftung Battenberg in Biel musste keine Ausbildungen unterbrechen, dank einer zuvor entwickelten Strategie: «Wir haben ein Aussennetz aufgebaut und arbeiten mit Altersheimen der Stadt und Spitälern der Region», erklärt Isidro Marques, Integrationfachperson und diplomierter Arbeitsagoge der Stiftung.

Wir haben ein Aussennetz aufgebaut und arbeiten mit Altersheimen der Stadt und Spitälern der Region

Als die Restaurants geschlossen waren, konnten EBA- oder EFZ-Lernende in der Restauration von dieser Strategie profitieren. Vier PrA-Lernende der Stiftung Battenberg konnten dank diesen Partnerschaften ihr Praktikum im ersten Arbeitsmarkt machen.

Ein Mann mit Down Syndrom lächelt, als er einer Frau ein Croissant gibt.

In der ersten Corona-Welle war das Restaurant Basane in Genf geschlossen. ©SolStock

Neue Kompetenzen entwickeln

Mit den Lockerungen konnten die drei Cafés der EPI im Innern wieder öffnen, unter Einhaltung eines Schutzkonzeptes. Die PrA-Lernenden konnten wieder normal arbeiten und entwickelten neue Kompetenzen bezüglich der Hygienemassnahmen: personalisierter Empfang, Verpackung und Verteilung von individuellen Couverts, Desinfektion und Beachten der Markierungen am Boden: «Der Beruf bleibt derselbe, aber die Arbeitsweise hat sich verändert. Das braucht mehr Energie!», sagt Fabrice Ninet. Ein Take-Away-System, wie es in den Cafés und im Basane angeboten wird, hat das Angebot vervollständigt: «Die Lernenden wurden selbstverständlich für die neue Nachfrage ausgebildet, wie das telefonische Entgegennehmen der Bestellungen. »

«Die Lernenden wurden selbstverständlich für die neue Nachfrage ausgebildet, wie das telefonische Entgegennehmen der Bestellungen.

Sorgt sich der Chef Ausbildung und Integration EPI um die Zukunft? Weniger für die Berufsaussichten seiner PrA-Lernenden, die in der Regel mit einer Stelle in der Institution rechnen können: «Es kommt allerdings selten vor, dass ein PrA-Lernender eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt findet.» Für Isidor Marques von der Stiftung Battenberg, hat die Pandemie keine spürbaren Folgen für die PrA-Lernenden gehabt, eher für diejenigen mit anderen Berufsausbildungen. Dank eines Praktikums in einem Heim konnte einer von ihnen sogar eine EBA-Ausbildungsplatz im Betrieb beginnen.

 

Breit angelegte Umfrage von INSOS

Der Branchenverband INSOS, der 140 Integrationsbetriebe im Gastgewerbe vereinigt, hat im Mai 2021 einen Erfahrungsaustausch unter dem Titel «Integrationsbetriebe im Gastgewerbe auf dem Prüfstand» durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt: Zahlreiche Institutionen mussten ihre Ausbildungs- und Arbeitsangebote vorübergehend schliessen. Grössere Unternehmen konnten aufgrund von Ausweichmöglichkeiten und grösseren finanziellen Ressourcen die Situation gut abfedern, während kleinere Betriebe teilweise grosse Schwierigkeiten hatten, auch weil die IV-Massnahmen nicht mehr durchgeführt werden konnten.

Manche Betriebe hatten Schwierigkeiten, Kurzarbeitsentschädigung (auch für Arbeitnehmende mit Behinderung) zu erhalten, mit dem Argument, sie seien ein subventionierter Betrieb und die Arbeitsplätze seien gesichert. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall und INSOS hat entsprechend interveniert. Lernende konnten 2020/2021 deutlich weniger Praxiserfahrung machen, das gilt insbesondere für den Kundenkontakt. Allerdings ist bisher noch keine Tendenz rückläufiger PrA-Lehrverträge bei der PrA Restauration festzustellen. INSOS führt gegenwärtig eine weit angelegte Umfrage durch, bei der sich zeigen soll, ob es auch zu dauerhaften Schliessungen kam.