Inklusion für die Kleinsten

Autor

Tanja Aebli

Veröffentlicht am

Im Kinderhaus Imago in Dübendorf (ZH) gehören Rollstühle, ergonomische Hilfsmittel und Defibrillatoren genauso zur Ausstattung wie bunte Bauklötze, schnittige Traktoren und knuddelige Teddybären. Von den täglich 110 Kindern, die hier betreut werden, hat die Hälfte eine Beeinträchtigung.

Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Kita. Die zwölf Kinder sitzen im Kreis, schauen gebannt auf die Betreuerin, klatschen, singen, lauschen, lachen. «Unsere Kita steht für gelebte Integration», sagt Sonja Kiechl, Gesamtleiterin der beiden Kinderhäuser Imago in Dübendorf und in Baar (ZG).

Unsere Kita steht für gelebte Integration.»

Von den Kindern hat rund die Hälfte besondere Bedürfnisse; viele von ihnen haben schwere Behinderungen, die eine Eins-zu-eins-Begleitung erfordern. Autismus, Cerebralparese, degenerative oder Stoffwechselerkrankungen, Gendefekte, Epilepsie oder Verhaltensauffälligkeiten: «Wir sagen bei niemandem Nein», sagt Sonja Kiechl.

Ein Kind und eine Erzieherin schauen in einen Spielgel.

Von den Kindern hat rund die Hälfte eine Beeinträchtigung. ©Vera Markus für die Stiftung Visoparents.

Zwei Kinder spielen mit einer Lichtsäule.
Auch Kinder mit ganz seltenen Erkrankungen besuchen das Kinderhaus Imago. ©Vera Markus für die Stiftung Visoparents.

Keinen Aufwand scheuen

Das Team holt erst einmal Informationen bei den Eltern und bei medizinischem und therapeutischem Fachpersonal ein und nimmt sich Zeit, das Kind kennenzulernen und seine Bedürfnisse zu erfassen. Manchmal müssen spezielle Hilfsmittel angeschafft werden, ein andermal erweist sich eine spezifische medizinische Weiterbildung als notwendig.

«Bei uns gibt es auch Kinder mit ganz seltenen Erkrankungen, von denen in ganz Europa weniger als zehn Fälle bekannt sind», erzählt Sonja Kiechl weiter, selbst Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes mit besonderen Bedürfnissen. «Es ist ein bisschen wie eine Wundertüte: Bei vielen der hier anwesenden Kinder wissen wir nicht, wo sie in einem halben Jahr in ihrer Entwicklung stehen werden.» Machen einige grosse Fortschritte, gilt es, von anderen langsam Abschied zu nehmen.

Kinder und eine Betreuungsperson sehen sich gemeinsam eine Tafel an, die ihnen jemand hinhält. Sie zeigen auf etwas auf der Tafel.
Bei Imago können Kinder Dinge ausprobieren und Erfahrungen sammeln. ©Vera Markus für die Stiftung Visoparents.

Flexibel sein und bleiben

Manchmal ereignet sich im Wochentakt ein Notfall, dann wieder ein halbes Jahr lang kein einziger. Erste Hilfe können hier alle Fach­personen im Effeff leisten, in einem Notfall zählt manchmal jede Sekunde. «Hinter den Kulissen erfordert dies sehr viel Organisation und minutiöse Vorausplanung», sagt Sonja Kiechl. Nur so ist es möglich, dass es in medizinisch brisanten Situationen ruhig und überlegt zu und her geht und die anderen Kinder einen landenden Helikopter oder eine Ambulanz mit Blaulicht zwar mit grossem Staunen verfolgen, sich aber wenig später wieder in ihre Aktivitäten vertiefen.

Ein natürliches Miteinander

«Sowohl die Kinder mit als auch jene ohne Behinderung profitieren enorm von diesem Zusammensein unter einem Dach. Wir geben den Kindern hier einen sicheren Rahmen, um Dinge auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Lernen tun sie alle viel voneinander – ob sie nun eine Behinderung haben oder nicht», freut sich Nina Wetzel, Co-Leiterin von Imago. Michael Evangelou kann diese Aussagen nur bestätigen: «Die Kinder wachsen damit auf, dass es ganz unterschiedliche Menschen gibt», sagt der Vater dreier Kinder, die das Kinderhaus Imago besuchen und von denen eines intensive Betreuung braucht.

Der vollständige Artikel ist in der Juni-Ausgabe2021 des insieme-Magazins erschienen.