Es gibt keine falsche Form der Inklusion

Autor

Susanne Schanda

Veröffentlicht am

Es gibt keine falsche Form der Inklusion. Der Ausschluss einer bestimmten Gruppe von Menschen von den politischen Rechten ist eine Verletzung der UNO-Behindertenrechtskonvention, die auch von der Schweiz unterzeichnet wurde. Das verpflichtet.

Replik  zum Kommentar «Eine falsche Form der Inklusion» in der NZZ vom 23.9.2023

Es gibt keine falsche Form der Inklusion. Der Ausschluss einer bestimmten Gruppe von Menschen von den politischen Rechten ist eine Verletzung der UNO-Behindertenrechtskonvention, die auch von der Schweiz unterzeichnet wurde. Das verpflichtet. Nicht jede Person muss wählen und abstimmen. Aber jede Person muss das Recht dazu haben.

Es gibt keine falsche Form der Inklusion.

Manche Menschen, ob mit oder ohne geistige Behinderung, verstehen wenig von Geschäften, über die sie abstimmen dürfen. Aber sie können sich informieren und sie dürfen selbst entscheiden, ob sie abstimmen wollen. Jemand, der unter umfassender Beistandschaft steht, weil er seine Finanzen nicht selbst verwalten kann, kann durchaus eine politische Meinung haben.

Aller Anfang ist schwer

Der Kanton Genf machte es vor. 2020 beschloss die Genfer Bevölkerung mit einer satten Mehrheit von 75% der Stimmen eine Verfassungsänderung, durch die 1500 Personen, die unter umfassender Beistandschaft stehen, politische Rechte erhielten. Und es gab keinen Umsturz und keine Revolution.

2020 beschloss die Genfer Bevölkerung mit einer satten Mehrheit von 75% der Stimmen eine Verfassungsänderung, durch die 1500 Personen, die unter umfassender Beistandschaft stehen, politische Rechte erhielten. Und es gab keinen Umsturz und keine Revolution.

In Genf wie auch im Kanton Waadt werden Kurse in politischer Bildung durchgeführt.

 

Es ist zu begrüssen, dass das Zürcher Kantonsparlament in die gleiche Richtung zielt, wenn auch politische Rechte nur auf kommunaler Ebene nicht genügen. Im Kanton Zürich betrifft dies 392 Personen, in der Stadt sogar nur 170. Das Ziel muss selbstverständlich das allgemeine Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene sein. Aber aller Anfang ist schwer.

insieme Schweiz hat soeben in Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlei eine Wahlanleitung in Leichter Sprache publiziert. Diese gibt nicht vor, wen man wählen soll, sondern wie man seine Wahlunterlagen ausfüllt. Das wissen auch viele Menschen ohne Behinderung nicht.

 

Woher kommt nur diese Angst, dass Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung sich von ihrem Umfeld beeinflussen lassen?

Es stimmt schon, wie der Autor schreibt: «Die Demokratie ist kein Expertengremium.» Wer abstimmt, informiert sich zuvor, in den Medien wie im privaten Umfeld. Das tun Menschen mit geistiger Behinderung ebenso wie Menschen ohne Behinderung. Und wenn ein Thema sie nicht interessiert oder sie es nicht verstehen, stimmen sie nicht darüber ab. Absolut legitim. Woher kommt nur diese Angst, dass Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung sich von ihrem Umfeld beeinflussen lassen? Wir alle lassen uns Tag für Tag beeinflussen, bewusst und unbewusst.

Wenn es der Schweiz ernst ist mit der Inklusion, dann darf sie erwachsenen Schweizerinnen und Schweizern die politischen Rechte nicht verweigern. Es müssen nicht alle ihre politischen Rechte ausüben – aber alle sollten das Recht dazu haben.

insieme Schweiz hat soeben die #IchWähle Videokampagne in den Social Media lanciert, in der Menschen mit geistiger Behinderung im Gespräch mit Persönlichkeit aus der nationalen Politik zu sehen sind, u.a. mit Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und Nationalratspräsident Martin Candinas.