Die erste Behindertensession – insieme für mehr politische Teilhabe

Autor

Fabian Putzing

Veröffentlicht am

Am Freitag, den 24. März, geschah im Bundeshaus Historisches. Das mag zunächst nicht verwundern, ist es doch ein Ort, in dessen altehrwürdigen Hallen mit grosser Regelmässigkeit Geschichte geschrieben wird. Historisch war an diesem Tag jedoch, dass nicht die gewählten Parlamentarier*innen Geschichte schrieben, sondern Menschen mit Behinderung.

Nationalratspräsident Martin Candinas hatte zur ersten Behindertensession geladen. Gefolgt sind der Einladung 44 Menschen mit Behinderung. Sie haben 22% der Parlamentssitze des Nationalrats eingenommen. Dies entspricht gemäss Statistik dem Anteil an Menschen mit Behinderung in der Schweizer Bevölkerung. Zum Vergleich, im derzeitigen Nationalrat ist mit Christian Lohr lediglich ein Parlamentarier mit einer Behinderung vertreten. So war es auch logisch, dass er die erste Behindertensession präsidierte.

Echte Repräsentation würde jedoch bedeuten, dass zukünftig 22% aller Parlamentssitze von Vertreter*innen mit einer Behinderung eingenommen würden.

Echte Repräsentation würde jedoch bedeuten, dass zukünftig 22% aller Parlamentssitze von Vertreter*innen mit einer Behinderung eingenommen würden.  Damit dieses Szenario Realität wird, bedarf es eines besseren Zugangs zu politischen Strukturen für Menschen mit Behinderungen und dies auf allen Ebenen:

 

  • So verwehrt die Bundesverfassung Menschen, die «wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche entmündigt sind» (Art 136 BV) grundsätzlich das Recht zu wählen oder gewählt zu werden.
  • Die heutigen Wahlunterlagen stellen eine grosse Hürde für Menschen mit einer Behinderung dar. Sie sind kompliziert geschrieben und auch sonst nicht hindernisfrei zugänglich. Dadurch wird das Recht zu wählen eingeschränkt.
  • Die Unterrepräsentation von Menschen mit Behinderung ist nicht nur im Nationalrat offensichtlich, sondern auch auf kommunaler und kantonaler Ebene.

 

Diese Missstände in Bezug auf politische Partizipation und Teilhabe waren das Hauptthema der ersten Behindertensession. Die von der Behindertensession diskutierte und zum Schluss der Session mit grossem Applaus und Standing Ovations verabschiedete Resolution fordert in acht Punkten, Massnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen die aktive Teilnahme am politischen System zu ermöglichen.

 

Am 24. März 2023 fand die erste Behindertensession der Schweiz statt. © insieme Schweiz

 

Auch wir von insieme hatten die Gelegenheit, als Assistenz von Andreas Rubin vom Verein «Leben s Sinn»  an der Session als Gast teilzunehmen und waren von der Organisation, der Atmosphäre und dem gemeinschaftlichen Erlebnis begeistert.  Wir hoffen, dass es nicht die letzte Session war und dass die Aufbruchsstimmung und das mediale Interesse für die Themen, die Menschen mit einer Behinderung beschäftigen, nicht schnell abflaut.

Wir hoffen, dass es nicht die letzte Session war und dass die Aufbruchsstimmung und das mediale Interesse für die Themen, die Menschen mit einer Behinderung beschäftigen, nicht schnell abflaut.

Dafür werden wir uns einsetzen, zum Beispiel durch die Unterstützung der Inklusionsinitiative oder die Erarbeitung der Wahlhilfe in Leichter Sprache für die Wahlen auf Bundesebene in diesem Jahr. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste  Behindertensession, die bereits angekündigt wurde, dann vielleicht unter dem Namen  «Session für Menschen mit Behinderungen» und mit mehr Teilnehmenden mit einer kognitiven Behinderung.