Koordinieren von so genannten Relaxed Performances, Werbung dafür machen und auf allfällige Fragen der Öffentlichkeit antworten: Das sind die Hauptaufgaben von Pauline Décaillet, Verantwortliche der Kulturveranstaltungen Relaxed Performances in Genf. Ein Zoom-Gespräch über ihren Arbeitsalltag.
Sie koordinieren das Projekt Relaxed Performances im Kanton Genf. Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Meine Arbeit besteht vor allem darin, verschiedene Relaxed Angebote zu bündeln, den Spielplan zu erarbeiten und die Nachbearbeitung zu leiten. Diese wird von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung der Vereinigung ASA Handicap, Expert*innen für das Überprüfen von Inhalten in Leichter Sprache, gegengelesen. Ausserdem bin ich verantwortlich für die Kommunikation rund um Relaxed Performances, sei es über Newsletter und in den sozialen Netzwerken oder auf eine eher persönliche Art direkt in Institutionen. An den Veranstaltungen selbst bin ich präsent, um beim Empfang des Publikums zu unterstützen. Aktuell erarbeite ich gerade eine Anleitung in Form einer Checkliste für potentielle neue Kulturpartner*innen, die selbst Relaxed Performances anbieten möchten. Seit Juni 2022, als meine Stelle als Koordinatorin geschaffen wurde, haben sich vier neue Kulturorte unserem Projekt angeschlossen.
Wie ist generell die Idee entstanden, angepasste Veranstaltungen anzubieten?
Das Konzept ist in Frankreich aufgrund einer Initiative der Vereinigung Ciné-ma difference entstanden, in Grossbritannien wurde es von der Lambeth Autisme Group initiiert. Seither gibt es Relaxed Performances auch in den USA, in Kanada, Chile sowie in Schweden, Argentinien, Australien und Malaysia. In der Schweiz bieten die Kantone Genf und Waadt eine zentrale Koordinationsstelle für die Veranstaltungen an. In Zürich, Basel, Bern, Luzern und im Tessin organisieren mehrere Theater ebenfalls Relaxed Performances.
Pauline Décaillet ist verantwortliche für die Kulturveranstaltungen Relaxed Performances in Genf. © Patrick Gilliéron Lopreno / insieme Schweiz
Und wie war es in Genf, wie haben sich die Veranstaltungen hier etabliert?
Verschiedene Theater haben bereits Relaxed Performances angeboten, bevor ich im Sommer 2022 von der Organisation Out of the Box, deren Mission unter anderem die Zugänglichkeit der Kultur ist, zu 20% als Koordinatorin angestellt wurde. 2019 hat das kantonale Amt für Sport und Kultur den Anstoss zu den Veranstaltungen gegeben und bis 2022 die Koordination sichergestellt und das Programm erarbeitet. Heute subventionieren die Stadt und der Kanton sowie eine anonyme private Stiftung das Projekt über Out of the box.
Wie sind die Rückmeldungen aus dem Publikum?
Die Mehrheit des Publikums von Relaxed Performances geht regelmässig ins Theater. Die Leute wissen meistens gar nicht, dass es sich um eine spezielle Veranstaltung handelt. Kulturveranstaltern, die befürchten, Publikum zu verlieren, wenn sie Relaxed Performances anbieten, halte ich entgegen, dass diese für alle offen sind!
Kulturveranstaltern, die befürchten, Publikum zu verlieren, wenn sie Relaxed Performances anbieten, halte ich entgegen, dass diese für alle offen sind!
Menschen mit einer Beeinträchtigung kommentieren eher die Stücke als das Dispositiv Relax als solches. Kürzlich wurde eine Sonderschulklasse mit Kindern zwischen 12 und 16 Jahren mittels einer Broschüre in Leichter Sprache auf das Stück vorbereitet, und sie waren sehr zufrieden. Bemerkenswert ist auch, dass gewisse Museen Relaxed Besuche auf Anfrage anbieten, und dafür Anfragen aus Altersheimen erhalten.
Wenn Sie könnten, was würden Sie sonst noch anpacken?
Nicht alle Theater haben unbedingt das Personal, das es für die Unterstützung bei einer Relaxed Performance braucht. Dafür würde ich gerne Freiwillige rekrutieren und ausbilden. Ich hätte gerne mehr Zeit, um Institutionen zu besuchen und ihnen den Besuch von Relaxed Performances schmackhaft zu machen. Ausserdem würde ich eine Umfrage für das Publikum machen und unsere Website bezüglich Zugänglichkeit weiter verbessern, wenn ich mehr Zeit und finanzielle Mittel hätte.
Was sind relaxed Performances?
Relaxed Performances zeichnen sich durch ungezwungenere Codes aus: So haben die Zuschauer*innen die Möglichkeit, laut zu sprechen, sich zu bewegen und zeitweise oder ganz den Raum zu verlassen. Für die Begleitung steht Personal zur Verfügung. Ausserdem werden manchmal technische Anpassungen gemacht, etwa dass während der ganzen Vorstellung das Licht brennt oder die Lautstärke gedämpft wird. Die Vorstellung dauert nicht länger als eine Stunde. Willkommen sind Personen mit Beeinträchtigung, Eltern mit Bébés oder alte Menschen.