Inklusive Schule: wichtige Daten und  Ausblick

Autor

Lise Tran

Veröffentlicht am

Drei Modelle haben die Geschichte der Sonderpädagogik geprägt. Das separative Modell ­dominierte bis in die 1960er-Jahre. Es zeichnete sich durch die Einrichtung von Sonderklassen für Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen aus.

Das integrative Modell versucht, die Schüler in die Regelklassen zu integrieren und ihnen persönliche Unterstützung zu bieten.

In den 1990er-Jahren entstand das inklusive Modell, das auf die Schaffung eines ­Bildungssystems abzielt, in dem alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten gemeinsam in regulären Klassen unterrichtet werden. Diese drei Modelle lösen einander nicht ab, sondern überlagern sich.

1959/60

Das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) tritt in Kraft

Das Recht auf Bildung wird für alle ­Schülerinnen und Schüler garantiert. Die Invalidenversicherung ermöglicht die Finanzierung von sonderpädagogischen Massnahmen.

1968

Erste Revision des IVG

Einführung der heil­pädagogischen ­Früherziehung

 

1971

Gründung des ­«Service de l’enseignement ­spécialisé» im Kanton Waadt

1978

Integrationsexperiment in Sursee (LU)

Auszug aus dem insieme-Magazin, damals «appell»

Die Heilpädagogische Sonderschule Sursee war in den sechziger Jahren im ganzen Städtchen zerstreut […]. Der Stadtammann machte den Vorschlag, Schulzimmer im neuen Schulhaus Kotten zu nutzen. Zu Beginn des Versuchs hegten nicht wenige Lehrer Bedenken […]. Inzwischen sind die Vorbehalte geschwunden […]. Nicht eingetreten ist, was anfangs zusätzlich befürchtet wurde: Eltern, die sich beklagen, die ihre normalen Kinder nicht mit solchen «Dubelis» im gleichen Schulhaus sehen wollen.

1980

Sabine besucht den regulären Kindergarten

Auszug aus dem insieme-Magazin, damals  «appell»

Ihre Lehrerin berichtet: «Für mich ist es ein faszinierendes Experiment und den anderen Kindern tut Sabine auch gut. Sie wissen jetzt, dass ein behindertes Kind nicht einfach blöd ist oder gar gefährlich und, dass man durchaus mit ihm spielen und reden kann.»

1986

Das Wallis ist der erste Kanton, der ein Gesetz über die Sonderpädagogik verabschiedet.

1989

In der Sackgasse der Integration

Auszug aus dem insieme-Magazin, damals «appell»

«Ich bin seit meiner Geburt cerebral geschädigt und habe eine normale Hilfsschule besucht. Auch ich wurde viel ausgelacht und ­gehänselt, es tat mir manchmal sehr weh.»

1990er-Jahre

Bildungsreformen in mehreren ­Kantonen

Mit den Reformen soll ein inklusiver Ansatz ­gefördert werden, der Massnahmen zur ­Integration von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen in die Regelschulen vorsieht. Gründung mehrerer Fachhochschulen und Pädagogischer Hochschulen.

1994

Gibt es bald nur noch Studierte und Laien?

Auszug aus dem insieme-Magazin

Rückblick auf das Projekt zur Einführung von Fachhochschulen: Elternvereine und Behinderten­institutionen machen sich Sorgen über die zu­nehmende «Verbildung» der Betreuerinnen und ­Betreuer. Sie haben Angst, dass es mit der bevorstehenden Einführung der Fachhochschulen nur noch Studierte und Laien geben wird, Angst, dass die Behinderten dann zu kurz kommen.

1994​

Annahme der Salamanca-Erklärung der UNESCO durch die Schweiz

Die Salamanca-Erklärung hat zum Ziel, inklusive Bildung zu fördern. Sie betont die Notwendigkeit, Schulen so zu gestalten, dass sie alle Kinder aufnehmen und unterstützen, insbesondere jene mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen.

1995

Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Fachhochschulen

2004

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) tritt in Kraft

Das BehiG verlangt von den Kantonen, dass sie die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in die Regelschule durch geeignete Schulformen fördern, soweit dies möglich ist und dem Wohl des Kindes oder der Jugendlichen bzw.des Jugendlichen dient (Art. 20 Abs. 1 und 2 BehiG).

2007

Interkantonale Vereinbarung über die Sonderpädagogik

Die Konkordatskantone definieren das Grundangebot, das die Ausbildung und ­Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Bildungsbedarf sicherstellt. Sie fördern die Integration dieser Kinder und ­Jugendlichen in die Regelschule und verpflichten sich, gemeinsame Instrumente zu verwenden.

2008

Nationaler ­Finanzausgleich

Mit dem Inkrafttreten des Nationalen Finanzausgleichs (NFA) am 1. Januar 2008 wird die Verantwortung für die Sonderpädagogik vollständig auf die Kantone übertragen.

2014

Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Schweiz

Die Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Vertragsstaaten, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu schaffen.

2015

Agenda der Vereinten Nationen für nach­haltige Entwicklung

Ziel 4 besteht darin, «eine hochwertige, inklusive und gleichberechtigte Bildung zu gewährleisten und die Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle zu fördern».

2015

Geschichte zweier Wege zur schulischen ­Integration in Genf

Auszüge aus dem insieme-Magazin

«Anfangs sagte man uns, alles sei möglich. Doch dann wurde auf einmal entschieden, dass Sacha nur zu 50% integriert werden soll.» «Alexis hat einen Bruder und eine Schwester, die beide älter sind als er. Daher war unsere Familie im Kindergarten bereits bekannt, als wir ankündigten, dass unser drittes Kind behindert ist. Die Verantwortlichen haben uns sofort versichert, dass wir uns keine Sorgen machen sollten und dass sie Alexis selbstverständlich willkommen heissen.»

2019

Konzept 360° des Kantons Waadt zur Verbesserung der Integration von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bildungsbedürfnissen

2023

Inklusives Co-Teaching als Zukunftsversprechen

Auszüge aus dem insieme-Magazin

Zwei Lehrerinnen im Kanton Waadt teilen sich eine Klasse, in der zehn Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf integriert sind. Die Präsenz von zwei «Lehrerinnen» ist von Vorteil, da «sie sich so besser um uns kümmern können», sagen die Schülerinnen […]. «Sie hilft dir bei Tests und Diktaten», erklärt Isra ihrer Mitschülerin Hanna, deren Lernschwierigkeiten «kein Grund sind, nicht befreundet zu sein».

2025

Start einer grossen ­insieme-Umfrage

Ziel der Umfrage ist es, die Erfahrungen und Bedürfnisse von Eltern hinsichtlich einer inklusiven Beschulung zu ermitteln.